Webanwendungen auf dem Vormarsch: Das Ende der COM-Add-Ins?
Add-ins bereichern zahlreiche Microsoft-Anwendungen durch zusätzliche Funktionalitäten und ermöglichen es Anwender:innen, die Software ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend zu erweitern und anzupassen. Doch das könnte sich bald ändern! Zumindest für die Desktop-Anwendungen. Denn Microsoft richtet seinen Fokus offenbar verstärkt auf Webanwendungen, wie bereits mit der Vorstellung des neuen Outlook im September 2023 deutlich wurde. Allerdings sind viele klassische Add-ins nicht kompatibel mit den neuen Webanwendungen (bzw. Web-Apps). Dies hat Folgen sowohl für Nutzer:innen als auch für Entwickler:innen. Doch wie gravierend ist die Situation tatsächlich?
Der Weg in die Cloud
Der Übergang zu Cloud-Diensten und -Lösungen begann in den frühen 2000er-Jahren mit Diensten wie MSN-Hotmail (später in Windows Live Hotmail umbenannt), einem der ersten webbasierten E-Mail-Dienste von Microsoft. Richtig in Fahrt geriet die Entwicklung hin zu Cloud-Technologien jedoch mit der Einführung von Microsoft Azure im Jahr 2010.
Office 365 (heute bekannt als Microsoft 365) markierte einen weiteren bedeutenden Meilenstein dieses Wandels. Als Abonnementdienst verlagerte Office 365 die Office-Anwendungen in die Cloud und ermöglichte es so den Nutzer:innen, Dokumente unabhängig von ihrem Standort oder ihrem Gerät online zu erstellen, zu bearbeiten und freizugeben. Eine Installation der Desktop-Anwendungen war damit nicht mehr erforderlich.
Die Microsoft-Web-Apps im Überblick
Die Webanwendungen von Microsoft zeichnen sich durch ihre plattformübergreifende Kompatibilität aus und können auf verschiedenen Geräten wie PCs, Laptops, Tablets und sogar Smartphones über unterstützte Webbrowser genutzt werden. Sie bieten eine Benutzeroberfläche, die der ihrer Desktop-Pendants ähnelt. Allerdings unterscheiden sie sich in Bezug auf ihren Funktionsumfang.
Die Microsoft-Webanwendungen sind nahtlos in die Cloud-Plattform des Unternehmens integriert, insbesondere in Microsoft OneDrive for Business. Dadurch können Nutzer:innen ihre Dateien direkt in der Cloud speichern und von überall aus darauf zugreifen, solange eine Internetverbindung besteht. Ebenso wie Webanwendungen erfordern auch Web-Add-ins eine Onlineverbindung, um ordnungsgemäß zu funktionieren.
Obwohl Webanwendungen viele Funktionen der Desktop-Versionen bieten, sind sie nicht in allen Aspekten gleichwertig. Einige Funktionen werden derzeit in der Webumgebung noch nicht unterstützt. Ein Beispiel hierfür ist die Erstellung von Diagrammen in PowerPoint, was mit der Webanwendung nicht möglich ist. Auch die Formatierungsmöglichkeiten, Tabellenlayouts und Gestaltungsoptionen sind im Web eingeschränkt. Darüber hinaus fehlen in Excel Online einige Diagrammtypen und Visualisierungsoptionen, die in der Desktop-Version verfügbar sind.
Was für Webanwendungen spricht:
- Plattformunabhängigkeit: Webanwendungen können von verschiedenen Geräten aus genutzt werden, unabhängig von deren Betriebssystem oder Hardware.
- Automatische Aktualisierungen: Aktualisierungen und Wartungen erfolgen serverseitig, sodass Nutzer:innen ohne ihr Zutun stets die neueste Version der Anwendung verwenden.
- Schneller Zugriff: Webanwendungen erfordern keinen langwierigen Installationsprozess und sind in der Regel schneller zugänglich, da sie direkt über einen Webbrowser gestartet werden können.
- Geringerer Ressourcenbedarf: Da Webanwendungen nicht lokal auf einem Gerät installiert werden, benötigen sie oft weniger Speicherplatz und Ressourcen auf dem Computer oder Gerät der anwendenden Person.
Der Übergang zur Webtechnologie und dessen Auswirkung auf bestehende Add-Ins
Welche Auswirkungen hat die Entwicklung hin zu Webanwendungen konkret auf die Nutzung traditioneller Add-ins? Webanwendungen unterstützen herkömmliche Add-ins, die für Desktop-Anwendungen konzipiert wurden, nicht, sondern erfordern speziell entwickelte Web-Add-ins. Woran liegt das?
Ein Kernproblem besteht in der Inkompatibilität der COM-Schnittstelle. Die meisten Desktop-Anwendungen von Microsoft sind über eine Schnittstelle erweiterbar, die als Component Object Model (COM) bezeichnet wird. Diese COM-Schnittstelle gibt es seit Office 2000 und wurde von Microsoft entwickelt, um die Interoperabilität zwischen verschiedenen Softwarekomponenten auf windowsbasierten Systemen zu erleichtern. Über die COM-Schnittstelle können Add-ins mit der zugrunde liegenden Software oder anderen COM-basierten Komponenten kommunizieren, um Daten auszutauschen, Funktionen zu erweitern oder zusätzliche Funktionen bereitzustellen.
Im Gegensatz dazu bieten die Webanwendungen der Office-Suite keine COM-Schnittstelle zur Erweiterung an, sondern setzen auf Webtechnologien wie Web-APIs (beispielsweise Microsoft Graph) oder Webhooks. Aufgrund der unterschiedlichen Architektur können herkömmliche COM-Add-ins nicht in Webanwendungen integriert werden. Während die COM-Schnittstelle über die vergangenen 20 Jahre gewachsen und gereift ist, stecken die Webschnittstellen im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen.
Damit nicht genug. Da auch VBA-Anwendungen und VSTO-Add-ins auf der COM-Schnittstelle basieren, sind sie ebenfalls von dieser Inkompatibilität betroffen und können nicht mehr genutzt werden.
Das neue Outlook für Windows macht den Anfang
Im September 2023 präsentierte Microsoft eine neue Version von Outlook für Windows 11. Anders als die bisherige Version, die aus dem Microsoft-Office-Paket bekannt ist, basiert das neue Outlook auf der Webanwendung outlook.com und bietet vorerst nur einen Bruchteil der bisherigen Funktionen. COM- und VSTO-Add-ins sind mit dem neuen Outlook nicht mehr kompatibel, stattdessen werden nur noch Web-Add-ins unterstützt.
Ab dem Jahr 2024 sollen neue Windows-11-Geräte standardmäßig mit dem neuen Outlook für Windows als kostenlose Mailanwendung ausgeliefert werden. Aktuell (Stand: Dezember 2023) haben Windows-Nutzer:innen die Möglichkeit, das neue Outlook für Windows zu testen, indem sie die neue Version des E-Mail-Clients aktiv über die Schaltfläche „Neues Outlook testen“ auswählen.
Microsoft plant, das neue Outlook für Windows künftig als Ersatz für die klassische Version im Microsoft-365-Abo bzw. Office-Paket zu etablieren. Alle vorhandenen Outlook-Varianten sollen auf einer gemeinsamen Codebasis und Schnittstelle vereinheitlicht werden, wobei der genaue Zeitpunkt dieser Umstellung noch nicht offiziell bekannt gegeben wurde. Dies wird jedoch frühestens Ende 2025 oder im Laufe des Jahres 2026 erwartet. Bis dahin müssen noch einige funktionale Lücken geschlossen werden, da die Desktop-Version von Outlook erweiterte Funktionen zur E-Mail-Verwaltung und zusätzliche Funktionen zur Kalenderverwaltung bietet, die in der Onlineversion fehlen. Angesichts früherer Ankündigungen von Microsoft und ihrer tatsächlichen Umsetzung ist anzunehmen, dass das „alte“ Outlook nicht so schnell abgelöst wird.
Microsoft hat nach eigenen Angaben die eigenen COM-Add-ins für Outlook entweder bereits durch Web-Add-ins ersetzt oder sie sind in anderen Funktionen aufgegangen. Dennoch sind in vielen Unternehmen ältere oder selbst entwickelte Add-ins im Einsatz, die nicht ohne Weiteres ersetzt oder neu entwickelt werden können. Da Add-ins oft eine wichtige Rolle in betrieblichen Abläufen spielen, könnte ihre Inkompatibilität mit dem neuen Outlook zu Problemen führen und die endgültige Ablösung des „alten“ Outlook zumindest verzögern. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Web-Add-ins auch mit dem klassischen Outlook verwendet werden können.
Vorteile und Möglichkeiten von Web-Add-Ins
Grundsätzlich bieten Web-Add-ins die gleichen Vorteile wie Webanwendungen. Sie sind plattformunabhängig, leicht zugänglich, lassen sich unkompliziert aktualisieren und erfordern keine lokale Installation. Web-Clients können von jedem Ort aus aufgerufen werden, ohne dass ein Desktop-Client installiert sein muss. Dies ist vor allem für große Unternehmen von Vorteil, die oftmals eine Vielzahl von Softwareanwendungen auf ihren Systemen haben. Die Möglichkeit, Anwendungen online zu nutzen, ohne manuelle Installationen oder Updates durchführen zu müssen, erleichtert die Arbeitsabläufe erheblich.
Zusätzlich bieten Web-Add-ins den Vorteil einer erhöhten Stabilität und Sicherheit dank der verwendeten Sandbox-Technologie. Dadurch wird das Risiko von Abstürzen oder Verzögerungen beim Start der Host-Anwendungen minimiert, was zu einer verbesserten Benutzererfahrung führt.
Handlungsbedarf auf beiden Seiten
Die langfristige Entwicklung und der Zeitpunkt, an dem andere Office-Anwendungen dem Beispiel von Outlook folgen werden, bleiben ungewiss. Es ist jedoch klar, dass Microsoft weiterhin bestrebt sein wird, Nutzer:innen in Richtung Web zu lenken und den Fokus auf die Cloud weiter zu schärfen. Dennoch ist es für Nutzer:innen und Entwickler:innen nicht angebracht, in Panik zu verfallen. Die Integration von Microsofts neuester Technologie, Microsoft Copilot, in die bestehenden Anwendungen deutet darauf hin, dass eine schnelle Ablösung unwahrscheinlich ist. Bis die Schnittstelle für Web-Add-ins mit der COM-Schnittstelle vergleichbar ist, wird es noch einige Jahre dauern.
Sobald dieser Zeitpunkt gekommen ist, werden viele bestehende Add-ins möglicherweise nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form in den Microsoft-Webanwendungen funktionieren. Die eigenen COM-Add-ins möchte Microsoft rechtzeitig umstellen und automatisch austauschen oder hat dies bereits getan.
Anpassungsbedarf besteht auf beiden Seiten: Die Entwickler:innen von Microsoft-Add-ins sind angehalten, ihre Produkte webtauglich zu gestalten. Auf der anderen Seite muss der Funktionsumfang der Web-Apps von Microsoft noch mit den Desktop-Versionen vergleichbar gemacht werden. Hier hat Microsoft Nachholbedarf, obwohl die Webanwendungen in den letzten Jahren bereits kontinuierlich verbessert wurden.
Für Zielgruppen, die keine anspruchsvollen Präsentationen oder Diagramme erstellen, hauptsächlich Teams und Outlook nutzen und gelegentlich mit einfachen Excel-Tabellen sowie Word-Dokumenten arbeiten, sind die Webanwendungen auf ihrem heutigen Stand ausreichend. Diejenigen, die die Desktop-Anwendungen mit ihren vertrauten Add-ins auch in Zukunft voll nutzen möchten, müssen sich auf Änderungen oder Einschränkungen einstellen.
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