Storytelling mittels künstlicher Intelligenz im Marketing

8 Min. Lesezeit
27.08.2024

Der Vormarsch von AI (Artificial Intelligence) steckt laut der Meinung von KI-Fachleuten zwar noch in den Kinderschuhen, schreitet jedoch in beeindruckender Geschwindigkeit voran. Es besteht kein Zweifel, dass die Evolution von KI zu den signifikantesten Meilensteinen der digitalen Revolution zählt und – wie alle bahnbrechenden Entwicklungen – das Potenzial hat, wahrlich Großes zu bewirken. Im Guten wie im Schlechten. Und da sich das Große nun mal oft im Kleinen widerspiegelt, offenbart sich diese Dualität auch in der kreativen Content-Erstellung mittels KI im Marketing. Sogenannte AI-Chatbots wie Bing Chat von Microsoft, ChatGPT von OpenAI, Google Gemini und Co. sind ohne Weiteres dazu imstande, anhand von wenigen Prompts auf den ersten Blick in sich stimmige Geschichten zu verfassen.

Die Frage, ob die künstliche Intelligenz das Storytelling im Marketing komplett übernehmen kann, sowie die Vor- und Nachteile von AI in diesem Bereich sind die Kernthemen dieses Artikels.

Ein grober Einblick in die Funktionsweise von AI

Um zu verstehen, wie es einem KI-Chatbot wie beispielsweise ChatGPT von OpenAI möglich ist, innerhalb von wenigen Augenblicken ganze Storylines aus der Wiege zu heben, ist ein kurzer Einblick in die Funktionsweise künstlicher Intelligenzen notwendig.

Zunächst sind AIs nichts anderes als Computerprogramme. Allerdings haben diese Programme die Fähigkeit, sich durch die selbstständige Aneignung von Wissen weiterzuentwickeln. Dies geschieht, indem die KI-Systeme anhand gigantischer Datensätze dazu trainiert werden, mittels Algorithmen Muster zu erkennen und daraus zu lernen. Man spricht hier vom maschinellen Lernen (ML), das wiederum in verschiedene Modelle wie Entscheidungsbäume sowie neuronale und künstliche neuronale Netze unterteilt ist. Neuronale Netze sind wiederum Modelle, welche die Funktionsweise des menschlichen Gehirns als Blaupause nutzen.

Ein weiteres Schlüsselelement der KI-Chatbots ist eine natürliche Sprachverarbeitung, die es den Programmen ermöglicht, menschliche Sprachen zu verstehen und zu generieren. Je länger ein:e User:in mit der KI arbeitet, desto mehr stimmt sich das Programm auf die Bedürfnisse der jeweiligen User:innen ein. Was AIs von unserer Lernfähigkeit deutlich absetzt, ist die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der künstliche Intelligenzen in Sekundenschnelle Datenmengen durchforsten, deren Umfang für die menschliche Vorstellungskraft nicht fassbar ist.

Um dies zu verbildlichen: Wenn wir zu einem Thema recherchieren, dann lesen wir über ein paar Stunden hinweg einige Fachartikel, schauen uns YouTube-Videos an und/oder hören eventuell noch einen Podcast. KI hat in einem Bruchteil dieser Zeitspanne das komplette Internet nach Informationen durchkämmt, die zu den Kernpunkten des Themas passen.

Die Fähigkeit von KI, Geschichten zu generieren

Ein Paradebeispiel, das ganz deutlich darlegt, wozu KI in Sachen Storytelling im Marketing fähig ist, ist die Website von Afri Cola. Die Marketingagentur hinter der Website – die Wallek von Zitzewitz Werbeagentur GmbH - hat alle Inhalte von AI generieren lassen, angefangen von einem Großteil der Codierung über die Bilder bis hin zu den einzelnen Storys der verschiedenen Afri-Welten. Einzig das Prompt Engineering, also die Erstellungen der Eingabebefehle, sowie das kreative Gesamtkonzept wurden von Menschenhand kreiert. User:innen können sich auf der Website alle Prompts anzeigen lassen, um so die Entwicklungsgeschichten der einzelnen Unterseiten, Bilder und Storys (Afri-Welten) nachvollziehbar zu machen. Das Ergebnis ist beeindruckend. Und dank der radikal verkürzten Zeitspanne, in der neue KI-generierte Geschichten entstehen, veröffentlicht die Marketingagentur wöchentlich neue Afri-Welten.

Werbekampagne Afri Cola

Auch wenn sich die Afri-Website durchaus als ein positiver Vorbote dieser rasanten Entwicklung von KI im Marketing präsentieren lässt, so ist AI heute schon nicht mehr aus den kreativen Entstehungsprozessen wegzudenken. Blogs, Übersetzungen, Grafiken, Videos und vieles mehr werden quasi auf Knopfdruck generiert. Dies spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld, das ansonsten für die Beauftragung von externen Content Creators investiert würde.

Dank der Fähigkeit der KI, sich mit jedem Prompt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Userin bzw. des Users einzulassen, werden die gelieferten Ergebnisse zusehends besser. Der Trick liegt hier in der Formulierung der Eingabebefehle.

Mehrere Schreibmaschinen auf Schreibtischen

 

Prompt Engineering für AI-Storytelling: Ein kurzer Einblick

Mit einem Prompt wie „Generiere mir eine gute Marketingstory zum Produkt XYZ, die 2.500 Wörter umfasst“ liefern AI-Chatbots zwar ein Ergebnis, doch höchstwahrscheinlich keines, das sich auch nur ansatzweise verwenden ließe. Grundsätzlich gilt die Devise, dass klar formulierte, mit Schlüsselwörtern bereicherte und möglichst zielgerichtete Prompts zu besseren Resultaten führen. So soll ein Prompt grundsätzlich folgende Kernpunkte enthalten:

  • Zielgruppe
  • Textstil und Tonalität
  • Zweck der Story
  • Form (Wort- und/oder Zeichenanzahl)

Grundlegende Prompt-Tipps für Storytelling im Marketing

1. Ein klares Ziel definieren

Bevor es an die Formulierung des Prompts geht, sollten die Ziele der Marketing-Story klar gesteckt sein. Welche Botschaft soll vermittelt werden? Welche Bedürfnisse soll die Story wecken und welche Emotionen hervorrufen?

2. Die Zielgruppe ausloten

Jede erfolgreiche Marketingkampagne fußt auf einer fundierten Zielgruppenanalyse. Das ist beim strategischen Storytelling nicht anders. Zunächst gilt es auszuloten, wer die Leser:innen und/oder Zuhörer:innen sind. Diese Erkenntnis setzt nicht nur die Tonalität und Sprache, sondern auch das Setting, in der die Geschichte spielt, sowie die Kanäle, über welche die fertige Story präsentiert wird.

3. Den Konversationsstil anpassen

Viele KI-Chatbots bieten die Möglichkeit, den Konversationsstil dem jeweiligen Thema anzupassen. Bei Microsoft Bing Chat lauten die drei Stufen „Kreativ“, „Ausgeglichen“ und „Genau“. Geht es demnach um eher faktische Inhalte, wäre „Genau“ die richtige Wahl. Bei Marketing-Storys, die ein jüngeres Publikum ansprechen, sollte der Konversationsstil auf „Kreativ“ gestellt werden.

4. Kreative Prompts nutzen

Je kreativer die Prompts formuliert werden, desto kreativere Geschichten fördern die KI-Chatbots zutage.

5. Kontext liefern

KI ist sehr gut dazu imstande, aus dem Kontext heraus inspirierende Ansätze zu finden. Hier helfen beispielsweise Links zu externen Quellen wie vorherigen Marketingkampagnen, Unternehmens- und/oder Produktgeschichten etc.

6. Prompts fortlaufend testen und optimieren

Sollte ein Prompt kein zufriedenstellendes Ergebnis liefern, ist es sinnvoll, verschiedene Prompts zu erstellen und die Ergebnisse dann miteinander zu vergleichen. Prompt Engineering ist vor allem zu Beginn ein Prozess, der auf der Trial-and-Error-Methode basiert.

Mit Ketten-Prompts zu besseren Marketing-Storys

Weiterhin ist es gerade bei umfangreicheren Storys wichtig, die KI schrittweise an das gewünschte Resultat heranzuführen. Fachleute sprechen hier von Chain Prompting (Ketten-Prompten). Ein guter Ansatz ist es, mittels Fragen an die KI eine Storyline zu erstellen. So lässt man als Beispiel die KI zunächst eine Szene beschreiben, in der das zu vermarktende Produkt gezeigt wird:

Prompt:

  • Erzähle mir eine Geschichte von einem jungen Mann, der in seinem Garten grillt und dabei ein kaltes Bier trinkt.
  • Zielgruppe: 25 bis 45 Jahre
  • Textstil: lustig, locker und persönlich
  • Zweck: Vermarktung der Biersorte ZISCHT
  • Zwei Absätze mit jeweils circa 250 Wörtern

Die generierte Story lässt sich dann Prompt für Prompt ausfeilen.

Prompt:

  • Erweitere die Geschichte: Max probiert das Bier ZISCHT, welches seine Frau zum ersten Mal gekauft hat, und ist wider Erwarten von der neuen Marke begeistert.

Mit jedem Prompt lernt die KI, sich den Vorstellungen der User:innen anzupassen und zusehends treffsicherere Storys zu generieren. Chain Prompting lässt sich zudem auch für die Charaktererstellung, die Bildbeschreibungen und viele weitere Komponenten des Storytellings im Marketing verwenden.

Tipp: Wenn die Prompts auf Englisch verfasst werden, liefern die heutigen KIs gerade bei komplexen Themen bessere Ergebnisse. Das liegt daran, dass die AIs vornehmlich mit englischsprachigen Datensätzen trainiert werden. Es ist allerdings absehbar, dass die Eingabesprache in naher Zukunft diesbezüglich kaum noch eine Rolle spielen wird.

Falls nach einem komplett neuen Ansatz für einen Ketten-Prompt gesucht wird, empfiehlt OpenAI, den folgenden Prompt in das Suchfenster einzugeben und sich dann anhand der Fragen Schritt für Schritt der Marketing-Story anzunähern.

„Ich möchte, dass du mir hilfst, den bestmöglichen ChatGPT-Prompt zu erstellen, um meine Ziele zu erreichen. Du solltest mich nach dem Thema meines Prompts fragen und mich dann um weitere Details bitten, die dir helfen, den Prompt für GPT-3.5, GPT-4 oder ChatGPT zu verfeinern.“

Die Grenzen von KI im Marketing-Storytelling

#1: KI wertet nicht

Bei all den offensichtlichen Vorteilen und den beeindruckenden Fähigkeiten von KI im Bereich Storytelling ist bei der Verwendung der generierten Resultate ein gesundes Maß an Vorsicht geboten. Ohne eine minutiöse Nachbearbeitung sollte kein KI-generierter Content das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, fußen aber allesamt darauf, dass künstliche Intelligenzen nicht über menschliches Einfühlungsvermögen verfügen.

ChatGPT, MS Bing Chat und alle weiteren KIs greifen auf die ihnen zur Verfügung gestellten Dateninhalte zu und leiten daraus die von den Nutzer:innen gewünschten Ergebnisse ab. Dies tun sie allerdings, ohne zu werten. Weder faktisch noch inhaltlich. So kann es durchaus sein, dass die produzierten Storys rassistische – oder zumindest politisch nicht korrekte – Elemente enthalten. Es ist de facto noch so, dass die Datenquellen der KIs ursprünglich allesamt von Menschenhand erstellt wurden. Dass sich unter diesem Datenberg auch Inhalte befinden, die weder etwas mit einem gesunden Menschenverstand noch mit gutem Geschmack gemein haben, ist offensichtlich.

#2: KI ist kein Faktenchecker

Ein weiterer Punkt, den es bei der Verwendung von KI-erstellten Inhalten zu beachten gibt, ist folgender: AI ist kein Faktenchecker, sondern lediglich ein Werkzeug, das Inhalte produziert. In Bezug auf das fiktionale Storytelling im Marketing mag dies – wie zum Beispiel auf der Seite von Afri Cola – keine allzu große Rolle spielen. Doch wenn es beispielsweise um die interne und externe Stärkung der Corporate Identity geht, technische Produkte vermarktet werden sollen, die Brand global kommuniziert oder ein Start-up aus der Wiege gehoben wird, dann sind faktische Fehlinformationen unhaltbar.

Es sind diese Faktoren, die zum wichtigsten Handhabungstipp mit AI führen: Jeder von KI erstellte Inhalt muss unbedingt fachkundig nachbearbeitet werden. Auch wenn AI unseren Arbeitsalltag zusehends vereinfacht, so ist HI (Human Intelligence) nach wie vor der Schlüssel zum Erfolg.

#3: KI liefert für alle User:innen ähnliche Ergebnisse

Künstliche Intelligenzen greifen auf gigantische Datenquellen zu, aus denen sie die gewünschten Ergebnisse produzieren. Neben den vorgegebenen Trainingsdaten durchforsten KI Chatbots wie ChatGPT Plus, Bing Chat und viele andere das gesamte Internet. Das erscheint auf den ersten Blick als keine nennenswerte Problematik. Schließlich sind diese Datensätze enorm und wachsen beständig. Doch genau hier entsteht auf lange Sicht eine Art Teufelskreis. Marketing-Content für Blogs, Websites, Newsletter usw. wird in rasant wachsendem Umfang von KI generiert. Neue, von Menschenhand entworfene Inhalte nehmen dagegen zusehends ab. Dies führt zu einer kreativen Austrocknung der Datenquellen, was sich dann in immer ähnlicher werdendem Content widerspiegelt. Diese Problematik relativiert sich zwar in Bezug auf das Storytelling im Marketing, da es sich hier meist um komplexere, kreative Textinhalte dreht. Doch wenn es beispielsweise um die Erstellung von Short-Content wie Slogans, Social-Media-Feeds oder Metadaten handelt, liegen die KI-generierten Ergebnisse von konkurrierenden Marktbegleitern relativ nahe beieinander.

Mein Fazit zu KI-generierten Marketingstorys

Als CEO der Folienwerke GmbH in Winterthur sehe ich die rasante Entwicklung von AI im Marketingsektor sehr optimistisch. Das Potenzial ist enorm, die Fähigkeiten der KIs sind schon heute kaum fassbar. Zudem lässt sich mit der Nutzung von KI viel Zeit und Geld sparen. Sich als digitaler Dienstleister davor zu verschließen, bedeutet, über kurz oder lang ins Hintertreffen zu geraten oder gar völlig den Anschluss zu verlieren. Deshalb gehen wir bei Folienwerke das Thema AI proaktiv an und schulen unsere Designer:innen, Storytellers und Projektleiter:innen in der Bildgenerierung, dem Ideen-Pingpong und dem Text-Prompting.

Humanoider Roboter in Anzug und Krawatte schaut auf eine leuchtende Kugel

Folienwerke ist die führende Beratungs- und Designagentur für Präsentationen in der Schweiz. Storytelling ist eine unserer Kerndisziplinen, die wir entweder direkt in die Gestaltung von Folienpräsentationen und Erklärvideos einfließen lassen oder im Rahmen unserer Storytelling-Workshops auf Augenhöhe vermitteln. Das Thema KI im strategischen Storytelling nimmt besonders in diesem Kontext zusehends mehr Raum ein.

Für uns ist KI ein geniales Tool, das wir unter anderem zur Recherche einsetzen. Die Zeitersparnis im Vergleich zur herkömmlichen Internetsuche via Google & Co. ist immens. Des Weiteren nutzen wir AI, um alte Blogbeiträge und weitere Textinhalte aufzuarbeiten, zur Erstellung von Bildern im Rahmen der Foliengestaltung und tatsächlich auch, um Inspirationen fürs Storytelling zu erhalten.

Hier möchte ich aber unterstreichen, dass bei Folienwerke immer die HI (Human Intelligence) die erste, zweite und dritte Geige spielt. Ohne das menschliche Einfühlungsvermögen und unseren Humor – kurz: ohne Herz und Verstand – kann meines Erachtens keine packende Marketing-Story entstehen, welche die anvisierte Zielgruppe auf einem emotionalen Level erreicht. Und genau das ist letztendlich die enorme Kraft, die Storytelling – ob in Textform, als Erklärvideo, in klassischer Erzählform im Podcast oder als Bildserie auf Präsentationsfolien – zu einem der effektivsten Marketing-Tools überhaupt macht.

Ellen Riesterer ist CEO von Folienwerke in Winterthur. Mit der führenden Agentur für Storytelling und Präsentationen in der Schweiz hat Ellen ein Ziel: die Kommunikation zwischen Menschen in einem vorgegebenen Zeitrahmen mit maximalem Ergebnis zu ermöglichen. Dazu bietet Folienwerke individuelle Beratung, Umsetzung und Trainings im Bereich von Präsentationen an. Mit den Schwerpunkten Storytelling, Design und Rhetorik werden Referent:innen auf dem Weg zur erfolgreicheren Präsentation begleitet, inspiriert und zu authentischen Auftritten ermutigt.

Storytelling-folienwerke-4

 

New call-to-action

Zum Newsletter anmelden