Die Archetypen nach C. G. Jung für Ihr Corporate Design

7 Min. Lesezeit
28.05.2024

Welche Werbung übt eine besondere Anziehungskraft auf Sie aus? Weshalb greifen Sie seit Jahren nahezu automatisch zu der gleichen Marke? Warum entscheiden Sie sich für ein bestimmtes Produkt, wenn eine gleichwertige Alternative preisgünstiger wäre? Die Erklärung für solche Verhaltensweisen liegt oft in dem psychologischen Konzept der zwölf Archetypen nach Carl Gustav Jung. In diesem Artikel lernen Sie die Hintergründe dieses Konzepts sowie ausgewählte Archetypen kennen und erfahren, wie Sie diese für Ihr Branding nutzen können.

Das Konzept der zwölf Archetypen von Carl Gustav Jung

Um die Bedeutung des psychologischen Konzepts der zwölf Archetypen als maßgeblichen Treiber von Branding- und Marketingstrategien zu verstehen, ist ein Blick auf die Geschichte der Analytischen Psychologie erforderlich. Deren Begründer, der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung (1875–1961), erkannte, dass Menschen Entscheidungen auf der Grundlage universeller Verhaltensmuster und Emotionen treffen. Jung zeigte weiter, dass sich diese Verhaltensmuster in zwölf Urbilder, die sogenannten Archetypen, unterteilen lassen.

Interessant ist, dass dieses Konzept global anwendbar ist. Jeder Mensch kann einem bestimmten primären Archetyp zugeordnet werden. Übertragen auf die Markenstrategie bedeutet dies, dass eine Marke in verschiedenen Teilen der Welt, beispielsweise in Indien und Europa, die gleiche Zielgruppe anspricht. Jung ging einst davon aus, dass Archetypen vererbbar seien und somit jeder Mensch als einer der zwölf Typen geboren werde. Diese These ist heute jedoch widerlegt. Tatsächlich bestimmt unser soziales und kulturelles Umfeld, zu welchem Archetyp wir uns im Laufe unseres Lebens entwickeln. 

Jedermann, Herrscher und Zauberer: Drei der beliebtesten Archetypen

Was wie der Beginn eines Fantasy-Romans klingt, sind in Wirklichkeit drei weitverbreitete Archetypen, die wir im Folgenden näher betrachten wollen.

Die Normalen (auch als "Jedermann" bezeichnet)

Die Vertreter:innen dieses Archetyps lassen sich treffend als Idealist:innen beschreiben. Ihre emotionale Ausrichtung ist wohlgesinnt. Sie möchten Gutes tun und Gutes erleben beziehungsweise sich wohl und geborgen fühlen. Dazugehörigkeit ist für diesen Archetyp von enormer Bedeutung. Man möchte Teil einer Gruppe sein, ohne sich aber in irgendeiner Form abzusetzen. Harmonie ist wichtig. Um diese nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, agiert der Archetyp „Jedermann“ stets freundlich, besonnen und rücksichtsvoll.

Innerlich steht dieser Typ vor verschiedenen Konflikten. Einerseits zeichnen sich diese Menschen durch Vertrauensseligkeit aus, andererseits fürchten sie sich davor, ausgenutzt oder zurückgewiesen zu werden. Der Archetyp „Jedermann“ ist grundsätzlich optimistisch und aufgeschlossen, jedoch bleibt die Begeisterungsfähigkeit begrenzt. Diese inneren Konflikte spiegeln sich oft in der Wahrnehmung durch die Umwelt wider: Jedermann ist durchaus ein geschätzter Weggefährte, neigt jedoch dazu, schnell in Vergessenheit zu geraten.

Archetyp "Jedermann" im Branding

Dieser Menschenschlag stellt eine sehr breite Zielgruppe für Branding- und Marketingkampagnen dar. Das zeigt sich auch bei den Unternehmen, die mit ihrer Brand und ihren Werbespots diesen Archetyp ansprechen. IKEA, McDonald’s, Sparkasse, Aldi Nord und VW sind hierfür gute Beispiele.

Die Herrscher

Der Archetyp „Herrscher“ steht im krassen Gegensatz zur Zielgruppe „Jedermann“. Diese Menschen verfolgen in erster Linie die Ziele Kontrolle und Macht, die wiederum Wohlstand, Erfolg und Sicherheit mit sich bringen. Der Weg dorthin wird durch die autoritäre, dominante Persönlichkeit dieses Archetyps geebnet. Herrscher strotzen vor Selbstvertrauen, wirken einschüchternd, übernehmen in hohem Maße Verantwortung und stellen hohe Ansprüche.

Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass Herrscher egozentrische Menschen sind. Ein harmonisches Umfeld ist auch ihnen wichtig. Die erreichte Machtposition wird daher ebenso genutzt, um positive Veränderungen für die Mitmenschen herbeizuführen. Allerdings gilt dies nur für jene, die ihre Führungsposition unterstützen und ihnen Loyalität entgegenbringen. Wird die Machtposition angegriffen, verteidigt der Archetyp „Herrscher“ diese mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen.

Archetyp "Herrscher" im Branding

Die Marke sollte den Erfolg dieses dominanten Archetyps verkörpern. Luxus, Tradition, Image und Qualität spielen dabei eine gleichermaßen bedeutende Rolle. Falsche Bescheidenheit wird bewusst vermieden. Marketing- und Brandingkampagnen, die auf den Archetyp „Herrscher“ ausgerichtet sind, finden sich beispielsweise in Unternehmen wie Mercedes-Benz, Porsche, IWC und Montblanc.

Die Zauberer

Menschen, die diesem Archetyp zugeordnet werden, zeichnen sich durch höchste Kreativität und eine Denkweise jenseits konventioneller Grenzen aus. Zauberer sind Visionär:innen, setzen auf zukunftsweisende sowie disruptive Ideen und streben ständig nach Wissen, das sie allerdings nur ungern mit anderen teilen. Stattdessen nutzen sie ihr Know-how, um der Welt ihre Vision der Zukunft begreifbar zu machen, oft im wahrsten Sinne des Wortes. Nach Ansicht der Zauberer ist die größte Hürde die eigene Vorstellungskraft.

Die Mehrheit dieser Zielgruppe ist in der Technologiebranche und/oder im Start-up-Bereich tätig. Allerdings gelten auch die Unterhaltungs- und Gaming-Industrie als Domänen dieses Archetyps.

Archetyp "Zauberer" im Branding

Wenn Sie mit Ihrer Marke, Ihren Produkten und/oder Ihrem Service zukunftsweisende Veränderungen anstreben oder umsetzen, dann ist dieser Archetyp Ihre Zielgruppe. Beispiele in diesem Bereich sind Unternehmen wie Dyson, SpaceX und OpenAI. Das gilt auch, wenn Sie durch kreative Prozesse fantastische Welten erschaffen (Walt Disney, EA Sports usw.) oder Produkte herstellen, die Zauberer bei ihren Vorhaben unterstützen (Red Bull, Coca-Cola etc.).

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Wenn Kund:innen Ihre Marke lieben - Branding für Archetypen

In einer Zeit der schieren Überflutung mit Marken sehen sich nahezu alle Unternehmen einem Dilemma gegenüber. Allein im Jahr 2022 wurden in Deutschland knapp 73.000 Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet, Tendenz steigend. Mit dem Aufstieg der sozialen Medien haben sich zudem die Marketingkanäle erheblich erweitert, was ständig neue Strategien erfordert, um die eigene Brand Awareness zu festigen oder zu steigern. Die Verbraucher:innen sind mit einer gewaltigen Werbeflut konfrontiert, die die menschliche Aufmerksamkeitsspanne nicht einmal ansatzweise erfassen kann.

Aus diesem Grund ist es entscheidend, das Branding einerseits zielgruppengerecht auszurichten und andererseits eine emotionale Verbindung zur anvisierten Kundschaft herzustellen. Die Zielgruppenanalyse mithilfe der zwölf Archetypen für das Branding bietet sich als bewährter Ansatz an.

Zielscheibe mit verschiedenen Symbolen

Das Ziel besteht darin, dass sich die anvisierten Archetypen mit Ihrer Marke identifizieren und aufgrund emotionaler Bindung eine Kaufentscheidung zugunsten Ihrer Marke treffen. Wenn Sie wissen, was die Zielgruppe bewegt, antreibt und anspricht sowie welche Sorgen, Bedürfnisse und Ängste bestehen, können Sie Ihre Marketingstrategie entsprechend ausrichten.

Wie kann das Konzept der Archetypen im Branding effektiv angewendet werden?

Die gezielte Ausrichtung auf die jeweiligen Archetypen beeinflusst die Markenbildung in verschiedenen Aspekten positiv. So wird zum Beispiel eine deutliche Differenzierung Ihrer Brand erreicht, was Sie von Marktbegleitern abhebt. Dies fördert ein klares Markenbewusstsein innerhalb der Zielgruppe und stärkt die Bindung zu Ihrer Marke.

Weiterhin hilft die Ausrichtung dabei, Ihre Marke sowohl intern als auch extern konsistent zu kommunizieren. Dadurch verstärken Sie nicht nur die Corporate Identity innerhalb Ihres Teams, sondern steigern auch das Engagement der anvisierten Archetypen für Ihre Brand.

Besonders signifikant zeigt sich die Brand-Ausrichtung auf Archetypen in der emotionalen Bindung, welche Ihre Kund:innen zu Ihrer Marke entwickeln. Auf diese Weise positionieren Sie Ihre Marke als „Top of the mind“-Produkt und heben sich erfolgreich vom Wettbewerb ab. Das Archetyp-Rahmenwerk bietet außerdem eine leicht verständliche und attraktive Definition der Markenpersönlichkeit für die Zielgruppe. Es vermittelt klare Werte, steigert das Vertrauen und spricht die teils unterbewussten Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe an.

Beispiel Red Bull

Eine erfolgreiche Ausrichtung des Brandings und der Marketingaktivitäten auf einen bestimmten Archetyp ist bei Red Bull zu beobachten. Wie wir wissen, konzentriert sich das Unternehmen auf den Archetyp „Zauberer“, der mit Adjektiven wie transformativ, visionär, kreativ und kraftvoll charakterisiert wird.

Wie können solche Werte und Eigenschaften kommuniziert werden, damit sich die Zielgruppe maximal angesprochen fühlt und eine emotionale Bindung entsteht?

Erste Ansatzpunkte hierfür sind das Logo und der Claim. Red Bull setzt mit „Red Bull verleiht Flügel“ gezielt auf die magischen Eigenschaften des Produkts, die dazu beitragen sollen, Grenzen zu überwinden. Das Logo, bestehend aus zwei Bullen und der Sonne, wirkt mystisch und kraftvoll.

Die Positionierung von Red Bull als Getränk, das Menschen dabei unterstützt, ihre Ziele zu erreichen, sich zu verwandeln und Höchstleistungen zu erbringen, wird durch einen überwiegend überzeugenden, inspirierenden und erzählerischen Kommunikationsstil unterstrichen, wie er in den bekannten TV-Spots zum Ausdruck kommt. Die Spots zeigen Menschen (oder Tiere), die durch den Konsum des Getränks über sich hinauswachsen und ihre Ziele erreichen.

Abgerundet wird die Positionierung durch das Sponsoring zahlreicher Events und Extremsportarten, bei denen Menschen außergewöhnliche Fähigkeiten und Leistungen zeigen.

Die Verbindung von Red Bull mit Extremsportarten und herausragenden Leistungen weckt bei den Verbraucher:innen ein Gefühl von Aufregung und Abenteuerlust. Dies ermutigt sie, Risiken einzugehen und ihre Träume zu verfolgen. Verbraucher:innen assoziieren Red Bull zudem häufig mit gesteigerter Leistungsfähigkeit und Konzentration, was dazu führt, dass viele Menschen zu Red Bull greifen, wenn sie das Bedürfnis nach einem zusätzlichen Energieschub verspüren, um Herausforderungen zu meistern.

Beispiel McDonald's

Ein weiterer passender Archetyp für die Lebensmittelbranche ist der „Jedermann“. Dieser Archetyp verkörpert Normalität, Pragmatismus, Bodenständigkeit und legt großen Wert auf Gemeinschaft.

McDonald’s ist ein treffendes Beispiel für diese Ausrichtung. Die Restaurantkette ist weltweit bekannt für ihre erschwingliche Preispolitik und die breite Verfügbarkeit ihrer Filialen. Dies macht die Marke für Menschen aller Gesellschaftsschichten zugänglich. Darüber hinaus bietet McDonald’s eine Produktpalette mit vertrauten Menüoptionen an, die bei einem breiten Publikum beliebt sind. In den Marketingkampagnen betont das Unternehmen häufig Themen wie Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit, sei es durch gemeinsame Mahlzeiten im Kreise der Familie oder Treffen im Freundeskreis. Außerdem zeigt das Unternehmen in inklusiven Werbekampagnen häufig eine Vielzahl unterschiedlicher Menschen, was die Botschaft verstärkt, dass McDonald’s für alle offen ist, unabhängig von Alter, Herkunft oder Lebensstil.

Für viele Verbraucher:innen ist McDonald’s ein vertrauter und bequemer Ort, an dem sie wissen, was sie erwarten können. Dies schafft eine Art Komfortzone, die dazu verleitet, immer wieder zu kommen.

Die Betonung von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit in der Markenkommunikation trägt dazu bei, dass sich die Kund:innen als Teil einer größeren Gemeinschaft fühlen.

Die Herausforderung des Brandings für Archetypen

Bei der Ausrichtung Ihrer Branding-Strategie auf einen oder mehrere Archetypen gilt es darauf zu achten, keine falschen Erwartungen bei der anvisierten Zielgruppe zu wecken. Achten Sie unbedingt darauf, dass Ihre Markenbotschaft und Ihre Unternehmenswerte offen und transparent kommuniziert werden. Hält Ihre Marke nicht, was sie verspricht, oder fühlt sich Ihre Kundschaft von Ihrer Marketingkampagne getäuscht, führt dies zwangsläufig zu Vertrauensverlust. Ein solches Negativimage kann schwerwiegende Auswirkungen haben, wie bei den bekannten Beispielen Monsanto und Nestlé.

Ebenso wichtig ist es, die Bildung von Stereotypen zu vermeiden. Die Ausrichtung Ihres Brandings auf Archetypen birgt das Risiko, die Individualität und Vielfalt der Zielgruppe einzuschränken. Auch wenn sich die Zielgruppe einem Archetyp zuordnen lässt, gestaltet sich dies bei jedem einzelnen Menschen aufgrund seiner komplexen Psyche anders. Jemand kann in seinem Verhalten zwar zu einem Archetyp tendieren, weist aber auch Wesenszüge auf, die anderen Archetypen zugeschrieben werden.

Sich vermehrfachender Mensch mit einem Gehirn

Die zwölf Archetypen im Branding - ein Fazit

Bei der Stärkung Ihrer Brand Awareness spielen die zwölf Archetypen eine entscheidende Rolle. Sobald diese identifiziert sind, können Sie das komplette Branddesign und sämtliche Marketingkampagnen an den anvisierten Archetypen ausrichten. Die Wirksamkeit dieser Herangehensweise lässt sich leicht an Ihrem eigenen Kaufverhalten und Ihren Lieblingsmarken erkennen, die oft konkurrenzlos in Ihrem Einkaufswagen landen. Diese Affinität überträgt sich nicht selten auf die nächste Generation.

Durch die Anpassung der Markenbildung an die geeigneten Archetypen entsteht eine tiefe emotionale Bindung zu Ihrer Brand. Kaum eine Methode ist effektiver, um sowohl das Kundenengagement als auch das Brand-Bewusstsein zu steigern.

Anhand der von Ihnen als Zielgruppe definierten Archetypen lässt sich eine kohärente, in sich stimmige Kommunikationsstrategie erarbeiten und umsetzen. Auf diese Weise kann eine fundierte, langfristige Bindung Ihrer Marke an die Zielgruppe aufgebaut werden.

Haben Sie noch weitere Fragen dazu? Dann sprechen Sie uns gerne an!

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