Markenwert in Krisenzeiten - Wenn Marken mehr denn je als Anker dienen

6 Min. Lesezeit
10.08.2023

Das Akronym VUCA wird üblicherweise verwendet, um die Herausforderungen komplexer und unsicherer Rahmenbedingungen zu beschreiben, mit denen Führungskräfte in Unternehmen konfrontiert sind. Es ist auch recht treffend auf die aktuelle wirtschaftliche Situation anwendbar – und allgemein auf das Weltgeschehen, in dem wir uns gegenwärtig befinden. VUCA steht für Volatility (Unstetigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) sowie Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Diese Umstände werden durch verschiedene Krisen geschürt und führen zu einer allgemeinen Unsicherheit, die sowohl Unternehmen als auch Verbraucher:innen gleichermaßen betrifft.

In solchen Zeiten gewinnen bewährte Ansätze an Bedeutung, da sie Stabilität bieten und als Anker dienen. Tatsächlich richtet sich das Kaufverhalten vermehrt darauf aus. Der Preis tritt in den Hintergrund, während das Vertrauen in Marken, die für Werte wie Zusammenhalt, Beständigkeit, Integrität und Qualität stehen, in den Vordergrund rückt.

Die Kraft der Marke in unsicheren Zeiten

Der Wunsch nach Stabilität, Sicherheit und Orientierung ist ein Grundbedürfnis, das in uns allen verankert ist. Leider sehen wir uns in den letzten Jahrzehnten einer Welt gegenüber, in der es schwierig ist, diesem Bedürfnis gerecht zu werden. Kriege, Pandemien und Wirtschaftskrisen sind nur einige der Unsicherheitsfaktoren, mit denen wir konfrontiert sind. Diese Ereignisse haben nach wie vor gravierende Auswirkungen auf viele Wirtschaftsbereiche. Hinzu kommen Inflation, steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten sowie die bedrohliche und immer deutlicher zu spürende Klimakrise.

In Anbetracht dessen überrascht es nicht, dass sich das Kaufverhalten von Unternehmen und Konsument:innen in unsicheren Zeiten verändert. Einerseits wird zwar stärker darauf geachtet, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Andererseits zeigt sich in der Krise aber auch ein ganz anderer Trend: Es werden verstärkt Markenprodukte gekauft. Dies wurde bereits während der Finanzkrise im Jahr 2008 deutlich, als die Welt eine Zeit lang in Aufruhr war. Sowohl Endverbraucher:innen als auch Unternehmen orientieren sich in unsicheren Zeiten an den Marken, die ihnen vertraut sind. Unternehmen, die über einen langen Zeitraum kontinuierlich an ihrer Brand Awareness arbeiten, haben daher einen klaren Vorteil.

Langjährige Untersuchungen von McKinsey zeigen, dass starke Marken über alle Krisen hinweg nahezu doppelt so viel Wert schaffen wie der Marktdurchschnitt (MSCI-Index). Gleichzeitig erholen sie sich schneller von Krisen als weniger etablierte Marken. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn es Firmen gelingt, eine solide Markenreputation aufzubauen, die Werte wie Sicherheit, Professionalität, Zusammenhalt und Zuverlässigkeit widerspiegelt, übertreffen diese Emotionen oft den Preis.

Ein weiteres Phänomen verschafft bekannten Marken in Krisenzeiten einen Vorteil: der Wunsch, sich etwas zu gönnen. Getreu dem Motto „Jetzt erst recht“ oder „Man gönnt sich ja sonst nichts“ setzen vor allem Endverbraucher:innen ein Gegengewicht zu den erlebten Verlusten. Eine Krise geht für die meisten Menschen mit Einschränkungen im angenehmen Teil des Alltags einher. Statt auswärts zu essen, gönnt man sich vielleicht einmal pro Woche das teure Steak aus der Fleischereiboutique. Statt wie gewohnt alle zwei Wochen ins Kino zu gehen, entscheidet man sich für den großen Flachbildfernseher einer renommierten Marke.

Die Marke dient demnach nicht nur als Qualitätssiegel, sondern verkörpert auch all die Emotionen, die Verbraucher:innen in schwierigen Zeiten vermissen. Obendrein kompensiert der Kauf von Markenprodukten oder die Inanspruchnahme renommierter Serviceanbieter die durch die Krise hervorgerufenen Einschränkungen im Privatbereich.

Rettungsring im Wasser

Was macht eine Go-to-Marke aus?

Um sich als eine der führenden Marken zu etablieren, die auch in turbulenten Zeiten gefragt sind, bedarf es einer sorgfältigen Vorarbeit. Die Brand muss sich in erster Linie durch ein konstantes und zuverlässiges Qualitäts- und Nutzenversprechen von den Wettbewerbern abheben.

Es gilt einerseits, die Qualität und Zuverlässigkeit der eigenen Brand auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Das gegebene Nutzenversprechen muss unbedingt eingehalten werden. Andererseits spielt die Transparenz des Unternehmens und der Marke eine entscheidende Rolle. Moderne Verbraucher:innen legen ebenso viel Wert auf das Image und die Qualität eines Produkts wie auf die Gewissheit, dass der Hersteller nachhaltig, sozial verantwortlich, inklusiv und zukunftsorientiert arbeitet.

Weitere wichtige Aspekte sind das Erscheinungsbild sowie die einheitliche Kommunikation der Marke. Schließlich soll sie inmitten zahlreicher anderer Marken leicht wiedererkannt werden. Hier kommt die Einhaltung des Corporate Designs ins Spiel. Das Corporate Design umfasst nicht nur das Logo, sondern erstreckt sich auch auf die Brand-Farben, den verwendeten Schriftzug, die Bildsprache und viele weitere Aspekte, die sowohl intern als auch extern einheitlich präsentiert werden sollten. Ziel ist es, das Corporate Design mit Emotionen zu verknüpfen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Handcreme in der blauen Dose mit den weißen Blockbuchstaben, die Vertrautheit, Wohlbefinden und Familientradition symbolisiert. Diese Vertrauensbasis wurde schon von unseren Urgroßeltern geschätzt und bleibt von Krisen unberührt. Dieses positive Image überträgt sich auch auf alle anderen Produkte der Firma.

Markenwert stärken: Krisen als Chance nutzen

Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen: Warum sollte ein Unternehmen gerade in herausfordernden Krisenzeiten in das Marketing und den Ausbau der Markenbekanntheit investieren? Doch die Antwort ist einfach, auch wenn die praktische Umsetzung sicherlich Herausforderungen mit sich bringt. Tatsächlich werden starke Marken in Zeiten der Krise weitaus besser angenommen als ihre Wettbewerber. Verbraucher:innen und Unternehmen neigen zwar dazu, in unsicheren Zeiten ihr Geld zusammenzuhalten. Doch wenn eine größere Investition ansteht, entscheiden sie sich deutlich öfter für etablierte, vertrauenswürdige Marken, selbst wenn diese etwas teurer sind. Hier macht sich der Markenwert bemerkbar. 

Dies belegt nicht zuletzt die Studie von McKinsey, die sich mit dem Kaufverhalten von Konsument:innen in der heutigen Zeit auseinandersetzt. Im obigen Beispiel liegt dem Kauf der bekannten, vertrauten Marke laut der McKinsey-Studie der Wunsch der Risikominimierung zugrunde. Wer eine starke Marke kauft, geht damit auf Nummer sicher. Weitere Motivationen, die die Entscheidung für eine starke Marke begünstigen, sind die Informationseffizienz sowie die Selbstverwirklichung. Starke Marken stehen für Qualität und ersparen oft mühsame Vergleiche. Sie symbolisieren auch ein gutes Leben und vermitteln einen bestimmten Stil.

Laut McKinsey machten Marken im Jahr 2019 durchschnittlich 18 % des Unternehmenswertes in B2B-Märkten und 35 % im B2C-Bereich aus. Es ist also offensichtlich, dass Investitionen in die Markenbekanntheit in Zeiten globaler Herausforderungen langfristig Früchte tragen. Wer hingegen das Marketingbudget kürzt, geht das Risiko ein, in der Masse der Mitbewerber zu versinken und Potenziale ungenutzt zu lassen.

Der Best Global Brand 2022 Report zeigt, dass der durchschnittliche Markenwert der Best Global Brands 2022 zum ersten Mal 3 Billionen US-Dollar überschritten hat. Der Gesamtwert der Top-100-Marken stieg um 16 % gegenüber 2021 (2.667.524 Millionen US-Dollar) auf 3.088.930 Millionen US-Dollar. In diesem Jahr wurde die höchste Wachstumsrate des Markenwerts aller Zeiten verzeichnet, was den wachsenden Beitrag der Marke eines Unternehmens zu dessen wirtschaftlichem Erfolg verdeutlicht. Während die Finanzmärkte in den letzten Jahren erheblichen Schwankungen unterlagen, ist der Wert der weltweit stärksten Marken kontinuierlich gestiegen. Die Bewertungen von Interbrand basieren auf drei Hauptkomponenten: einer Analyse der finanziellen Leistung der Markenprodukte oder -dienstleistungen, der Rolle, die die Marke bei Kaufentscheidungen spielt, und der Wettbewerbsstärke der Marke.

Ein weiterer Faktor, der eine Marke in schwierigen Zeiten voranbringt, ist die Unterstützung von Kund:innen, Partnerunternehmen, Mitarbeitenden und Gemeinden auch in Krisenzeiten. Durch solche unterstützenden Maßnahmen wird eine solide Vertrauensbasis geschaffen, die dazu führt, dass die Kundschaft dieser Marke auch in schwierigen Zeiten die Treue hält.

Zwei Hände halten einander

Fünf Möglichkeiten, in die Brand zu investieren

In vielen Unternehmen ist es üblich, das Marketingbudget vor allem in unsteten Zeiten zu reduzieren. Auf den ersten Blick mag dies verständlich sein, schließlich ist es beispielsweise aus moralischer Sicht angemessener, weniger in den Ausbau der Marke zu investieren, anstatt die Personalkosten zu senken. Langfristig geht diese Rechnung jedoch nicht auf. Es zeigt sich oft, dass Unternehmen, die auch in Krisenzeiten ihr Marketingbudget beibehalten oder sogar erhöhen, schneller und stärker aus der Krise herauskommen. Analysen von WARC haben ergeben, dass die Reduktion der Marketingausgaben, insbesondere für Werbung, und ein möglicher Rückgang des Share of Voice in früheren Krisen zu Marktanteilsverlusten geführt haben, die später nur schwer und mit hohen Investitionen in die Marke zurückgewonnen werden konnten.

Anstatt also an alten Schemata festzuhalten, gilt es, das Marketingbudget in neue, zeitgemäße Strategien zu investieren:

  1. Ausbau und Vertiefung der Zielgruppenrecherche: Die Krise verändert naturgemäß das Kaufverhalten. Daher ist es wichtig, die neuen Ängste, Bedürfnisse und Herausforderungen der Zielgruppen sowie ihr Einkaufs- und Informationsverhalten zu evaluieren. So lassen sich Angebote gezielter kommunizieren und die Ansprache kann an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden.
  2. Weiterentwicklung und Schulung der Mitarbeitenden: Hierbei wird das interne Markenbewusstsein weiter ausgebaut und gefördert. Den Mitarbeitenden werden effektive Strategien vermittelt, um die Brand sowohl intern als auch extern sicher zu kommunizieren.
  3. Nutzung neuer Technologien und Softwarelösungen: Investitionen in Brand Management Software, Template Management Software, Lead Generation Software, Content-Management-Plattformen und mehr erleichtern und gewährleisten einen markenkonformen Auftritt des Unternehmens oder eröffnen neue Möglichkeiten der Leadgenerierung.
  4. Erschließung neuer Kommunikations- und Marketingkanäle: Die Marke wird über ein breiteres Spektrum präsentiert, neue Zielgruppen werden erreicht und der Kontakt mit der bestehenden Kundschaft sowie der Zielgruppe ist leichter aufrechtzuerhalten. Es geht darum, auch in schwierigen Zeiten im Bewusstsein der Zielgruppe präsent zu bleiben.
  5. Investitionen in unberührte Märkte und Nischen: Die Erschließung neuer Wachstumspotenziale erweitert die Markenbekanntheit und schafft neue Möglichkeiten für das Unternehmen.

Die Marke stärken in turbulenten Zeiten - ein Fazit

Alles im Leben hat mindestens zwei Seiten. Somit lassen sich auch Krisen nutzen, um Ihre Brand Awareness und Ihren Markenwert nicht nur zu erhalten, sondern deutlich auszubauen. Selbst wenn Ihre Marke noch nicht zu den etablierten Big Playern gehört, sollten Sie nicht nur das veränderte Kaufverhalten Ihrer Kund:innen für eine Stärkung Ihrer Marke nutzen. Auch das Zögern Ihrer Wettbewerber, in schwierigen Zeiten in das Marketing zu investieren, können Sie zu Ihrem Vorteil nutzen. Ergreifen Sie diese Chance!

Es erfordert zwar Mut, aber es ist weitaus klüger, statt das Marketingbudget zu kürzen, noch mehr Augenmerk auf die Vermarktung sowie die einheitliche Kommunikation Ihrer Marke zu legen. Investieren Sie in Ihre Marke und setzen Sie auf eine kraftvolle Kommunikation, um in turbulenten Zeiten die Positionierung Ihres Unternehmens auf dem Markt zu stärken.

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