Wie die digitale Revolution das Corporate Design beeinflusst
Interview mit Anke Wübbelmann von der Basler AG
Ende des letzten Jahres hat die Basler AG erfolgreich einen Relaunch ihrer Website abgeschlossen. Dabei ging das Basler-Team einen unkonventionellen Weg: Zuerst wurde die Website neu gestaltet, dann das Corporate Design angepasst. Warum das genau der richtige Weg war und wie digitale Kanäle und Anforderungen heute das Corporate Design beeinflussen, verrät Anke Wübbelmann im Interview. Sie ist Executive Director Communications und seit über 25 Jahren für den Basler Konzern tätig, der seit 1999 an der Börse notiert ist.
Basler ist ein international führender Hersteller von hochwertigen Kameras und Kamerazubehör für Anwendungen in der Fabrikautomation, der Medizin, im Verkehrswesen und vielen anderen Bereichen.
Frau Wübbelmann, Sie arbeiten seit vielen Jahren in der Unternehmenskommunikation der Basler AG. Was begeistert Sie an dieser Tätigkeit?
Die Herausforderungen in der Unternehmenskommunikation haben sich in den letzten 25 Jahren enorm gewandelt, was meinen Job besonders interessant macht. Ich erinnere mich noch lebhaft an den Zeitpunkt, als wir entschieden, den ersten Mitarbeiter einzustellen, der sich ausschließlich um das Onlinemarketing kümmern sollte. Damals fragten wir uns, ob diese Person ausgelastet sein würde. Heute sind nach dem Paradigmenwechsel, den die digitale Transformation gebracht hat – und wie man sich denken kann –, fast alle der 50 Mitarbeitenden in unserer Abteilung mit Themen rund um Online beschäftigt.
Es bieten sich scheinbar unendlich viele Optimierungsmöglichkeiten, was uns kontinuierlich vor die Herausforderung stellt, unsere Ressourcen optimal einzusetzen, um Kunden zu begeistern und uns von unseren Wettbewerbern zu differenzieren. Dennoch bemerken wir als B2B-Unternehmen häufig, dass wir den B2C-Unternehmen in einigen Bereichen hinterherhinken. Das ist manchmal frustrierend, aber zugleich auch aufbauend, wenn deutlich wird, wie viel Potenzial noch vor uns liegt.
Die Themen der letzten Jahre drehten sich insbesondere um Content-Marketing, Storytelling, Datenanalysen, Personalisierung und Lead Handling bzw. Lead Nurturing, während wir aktuell mit der Einführung von KI den nächsten revolutionären Wandel in den Marketingabteilungen erfahren.
Diese Veränderungen zu erleben, sie gewinnbringend für das Unternehmen einzusetzen und die Kolleginnen und Kollegen mit auf die Reise zu nehmen, bereitet mir große Freude. Automatisierte Kommunikationsstrategien, KI-gestützte Chatbots und prädiktive Analytik sind einige der Themen, die vor uns liegen.
Was war der ausschlaggebende Grund für den Relaunch der Website?
Die Hauptmotivation für den Relaunch der Website war die Aktualisierung und Verbesserung der Webtechnologien, einschließlich des Content-Management-Systems, des Produktinformationsmanagements, der Übersetzungsschnittstelle und der Shopware. Unser Ziel war es, einen Technologie-Stack zu implementieren, der Automatisierung und selbstlernende Systeme in allen Phasen der Customer Journey ermöglicht, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, wie beispielsweise der Bereitstellung lokalisierter und personalisierter Inhalte.
Ein weiterer Beweggrund war der Wunsch, die Website nahtlos mit dem Webshop zu verzahnen, um eine verbesserte Customer Experience zu gewährleisten.
Letztlich waren wir mit der bestehenden Architektur der Inhalte und dem im Laufe der Jahre gewachsenen Design der Website nicht mehr zufrieden. Das „Look & Feel“ der Website entsprach nicht mehr unserem Anspruch als Marktführer der Computer-Vision-Branche.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, zuerst die Website zu relaunchen und dann das Corporate Design anzupassen?
Es war uns wichtig, das Design der Website – als zentrales Element der Kundeninteraktion – so zu gestalten, dass es sich deutlich von unseren Wettbewerbern abhebt und unsere Vorreiterrolle in Sachen Innovation und Technologie unterstreicht.
Der Einsatz von Webanalyse-Tools während des Relaunch-Prozesses half uns dabei, datenbasierte Entscheidungen über die Priorisierung der notwendigen Änderungen zu treffen. Zudem erhielten wir über A/B-Tests und Kunden-Fokusgruppen, denen wir einen Click-Dummy zur Verfügung stellten, direktes Feedback von Benutzern, welche Elemente des Designs verbessert werden müssen, um die Benutzerfreundlichkeit und das Nutzererlebnis zu steigern. So konnten wir das Design im laufenden Prozess optimieren, um den Bedürfnissen der Nutzer zu entsprechen.
Diese praxisnahen Maßnahmen im Projekt stellten sicher, dass die Anpassung des Corporate Designs im Rahmen des Website-Relaunchs nicht nur strategisch fundiert, sondern auch in der Umsetzung effektiv war. Eine rein theoretische Weiterentwicklung des Corporate Designs hätte niemals ein derart kundenorientiertes Ergebnis erzielen können.
Wie haben Sie das richtige Design für die Website gefunden?
Die Entwicklung des passenden Designs für unsere Website begann mit einer detaillierten Wettbewerbsanalyse und der Sichtung von Best-Practice-Beispielen aus dem Umfeld fortschrittlicher Technologie- und Softwareunternehmen. In Verbindung mit unserer Zielsetzung, auf die ich zuvor schon eingegangen bin, führte dies zu einem ausführlichen Briefing, das wir an zwei ausgewählte Agenturen weiterleiteten, die dezidiert auf UI-Design fokussiert sind. Dies ist eine Kompetenz, die zu diesem Zeitpunkt nicht im Unternehmen vorhanden war.
Die Agenturen begannen mit der Entwicklung grundlegender Designansätze und präsentierten uns diese anhand von gestalteten Beispielseiten. Daraufhin wählten wir eine Designrichtung aus und entschieden uns somit für einen Partner im Projekt.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Schriften und Farben ausgewählt?
Bei der Auswahl der Schriften für unsere Website folgten wir den Empfehlungen der Agentur, die neben der guten Lesbarkeit auch technische Faktoren wie Ladezeiten, Browserkompatibilität, geräteübergreifende Zugänglichkeit und Lizenzbedingungen berücksichtigte. Unser Ziel war es, Schriften zu wählen, die nicht nur visuell ansprechend sind, sondern auch die Benutzererfahrung positiv beeinflussen.
In Bezug auf die Farbgestaltung verwendeten wir limbische Codes. Diese basieren auf der Erkenntnis, dass Farben spezifische emotionale Reaktionen und Verhaltensweisen bei den Nutzern auslösen können. So wird Blau oft mit Ruhe, Vertrauen und Professionalität in der Farbpsychologie assoziiert. Mithilfe der limbischen Codes überprüften wir, welche Farben am besten zu den von uns angestrebten Emotionen passen.
Durch Trendanalysen fanden wir heraus, dass unsere Haupt-Persona, der Entwickler, sich mit dem Dark Mode, das heißt helle Schrift auf dunklem Hintergrund, besonders wohlfühlt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis wählten wir diesen für unsere wichtigsten Einstiegsseiten, während wir für textintensive Seiten einen hellen Hintergrund wählten, um Lesbarkeit und Benutzerfreundlichkeit zu maximieren.
Auf den grundlegenden Designentscheidungen aufbauend entwickelten wir einen Click-Dummy, den wir im Rahmen von A/B-Tests mit Kunden erprobten. Das Nutzerfeedback floss in weitere Detailentscheidungen ein, die schließlich in einer Komponentenbibliothek zusammengefasst wurden und heute als digitales Storybook oder Styleguide dienen. Als Komponenten bezeichnen wir in diesem Zusammenhang Call-to-Actions, Buttons, Formulare, Headlines oder Textblöcke. Darüber hinaus wurden Bildsprache-Guides für Produktdarstellungen, Fotos, Icons und Illustrationen entwickelt.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Corporate Design?
Viele Unternehmen haben ein Corporate Design, das in einer Ära entstand, in der traditionelle Kommunikationsformen vorherrschten, und das seitdem nur geringfügig weiterentwickelt wurde. Doch mittlerweile hat die Digitalisierung neue Plattformen und Medien etabliert, die für die Gestaltung und Weiterentwicklung des Corporate Designs von erheblicher Bedeutung sind:
- Das Corporate Design muss über all diese Kanäle hinweg konsistent sein, um die Markenidentität zu wahren.
- Es bedarf flexibler und skalierbarer Designelemente. Logos, Schriftarten und andere Gestaltungselemente müssen so konzipiert sein, dass sie auf verschiedenen Bildschirmgrößen und mit unterschiedlichen Auflösungen gut aussehen und funktionieren.
- Außerdem ist die Benutzererfahrung im digitalen Umfeld entscheidend. Das Corporate Design muss nicht nur ästhetisch ansprechend sein, sondern auch eine intuitive und benutzerfreundliche Interaktion ermöglichen.
- Zu guter Letzt darf das Corporate Design nicht mehr so starr sein, sondern muss sich dynamischer und schneller an Marktveränderungen und neue Trends anpassen können.
Welche Anforderungen werden heutzutage an die Mitarbeitenden in der Grafik gestellt?
Im Grafik- und Designbereich beobachten wir eine deutliche Verlagerung der erforderlichen Kompetenzen und des notwendigen Wissens. Während sich das Grafikdesign einst überwiegend auf Printmedien konzentrierte, ist heutzutage eine fundierte Kenntnis in digitalen Bereichen unerlässlich, insbesondere in Bezug auf Benutzeroberflächen und Nutzererfahrungen Ein Verständnis für die speziellen Herausforderungen und Instrumente des digitalen Designs ist zwingend notwendig. Gute UI-Designer verstehen es, auf die Nutzung von Technologie durch den Menschen einzugehen, und sind in der Lage, Lösungen zu entwickeln, die sowohl visuell ansprechend als auch praktisch sind.
Wie können Mitarbeitende mit dieser Entwicklung Schritt halten?
Diese Entwicklung erfordert eine kontinuierliche Weiterbildung und Flexibilität. Angesichts der rasanten Evolution der digitalen Welt ist es ein Irrglaube, dass allein die Beherrschung traditioneller Designprinzipien ausreiche. Designer müssen zwangsläufig mit den neuesten Entwicklungen, Werkzeugen und Technologien vertraut sein, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können und relevant zu bleiben.
Die überwältigende Vielfalt und Komplexität der ständig neu aufkommenden Technologien und Tools kann einschüchternd sein. Designer stehen möglicherweise vor der Schwierigkeit zu entscheiden, wo der beste Ausgangspunkt für ihre Weiterbildung liegt oder welche Fähigkeiten besonders gefragt sind.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist es entscheidend, dass Designer lernbereit und offen für persönliche Entwicklung sind und durch die Förderung ihrer Vorgesetzten unterstützt werden.
Sehen Sie digitale Kanäle oder Formate, die eine Ausnahme vom Corporate Design darstellen?
Unser Corporate Design, das sich in diversen Touchpoints wiederfindet, zielt darauf ab, ein breites Spektrum an Berufsgruppen und Personas unter unseren Kunden anzusprechen. Für ein B2B-Unternehmen wie die Basler AG besteht die besondere Herausforderung darin, diese vielfältigen Personas effektiv zu erreichen und zu engagieren. Beispielsweise unterscheiden sich die Benutzererfahrungen und spezifischen Bedürfnisse von Softwareentwicklern deutlich von denen der Einkaufsgruppen unserer Kunden.
In bestimmten Fällen kann daher eine flexiblere Anwendung der Designstandards notwendig sein, insbesondere in sich rasch entwickelnden Feldern wie der Softwarebranche. Diese Flexibilität ermöglicht es uns, mit aktuellen Designtrends und Nutzererwartungen Schritt zu halten und unsere Marke modern sowie relevant zu gestalten, ohne dass eine umfassende Überarbeitung des Corporate Designs für alle Bereiche erforderlich ist.
Große Softwareunternehmen investieren erheblich in Forschung und Entwicklung, um ihre Designs zeitgemäß, attraktiv und funktional zu gestalten. Ein Corporate Design, das sich an solch führenden Standards orientiert, kann das Vertrauen in die Professionalität der Software auch von kleineren Unternehmen stärken. Softwareentwickler, die täglich mit einer Vielzahl von Tools arbeiten, profitieren von einer konsistenten und intuitiven Benutzeroberfläche, die ihre Produktivität steigert und die Einarbeitungszeit in neue Tools reduziert. Das Corporate Design sollte diese Bedürfnisse und Erwartungen unterstützen und nicht behindern.
Wie schafft man es, trotz solcher Ausnahmen konsistent im Design zu bleiben und die Wiedererkennbarkeit nicht zu verlieren?
Unsere wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt zum Relaunch der Website besteht darin, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, sich stur an feste Designvorgaben zu klammern. Die rasante Entwicklung im digitalen Bereich und die sich wandelnden Erwartungen unserer Zielgruppe verlangen nach einem flexibleren Designansatz. An jedem Touchpoint haben wir sorgfältig geprüft, was tatsächlich sinnvoll ist, und versucht, unseren Corporate-Design-Rahmen flexibel zu interpretieren. Dabei war uns das Ziel einer herausragenden Nutzererfahrung wichtiger als die strikte Befolgung eines Design-Handbuchs. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass unsere Marke trotz einer flexibleren Auslegung des Designs auch weiterhin deutlich erkennbar bleibt.
Wie gehen Sie vor, um Ihr neues Corporate Design auf alle anderen Formate und Kanäle zu übertragen? Gibt es Prioritäten?
Um das neue Corporate Design auf verschiedene Formate und Kanäle zu übertragen, haben wir unseren Fokus zunächst auf jene Formate gerichtet, die direkt mit unserer Website verbunden sind. Dazu gehören beispielsweise Online-Banner bzw. Online-Anzeigen und unser E-Newsletter. Dieser Schritt war entscheidend, um ein konsistentes Markenerlebnis zu garantieren und Diskrepanzen im Corporate Design zu verhindern, insbesondere für Besucher, die über diese Kanäle auf unsere Website gelangen.
Andere Formate, deren direkte Verbindung zur Website weniger offensichtlich ist, beispielsweise Messestände oder gedruckte Materialien wie Broschüren, wurden in einem zweiten Schritt angepasst. Diese Anpassung erfolgte gezielt und wurde erst dann vorgenommen, als das Format relevant wurde. Unser Ziel war es stets, einen einheitlichen und erkennbaren Markenauftritt über sämtliche Touchpoints hinweg zu gewährleisten. Dabei planen wir jedoch, die Implementierung des Designs über einen längeren Zeitraum zu strecken, um einen effizienten Einsatz unserer Ressourcen zu ermöglichen und zugleich die Markenkohärenz zu wahren.
Welche Trends und Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht für die Zukunft des digitalen Corporate Designs zu erwarten?
Digitales Corporate Design wird zukünftig nicht nur ästhetischen Kriterien folgen, sondern auch von technologischen Innovationen, sozialen Werten und Nutzererwartungen beeinflusst sein. Ich nehme an, dass Unternehmen zunehmend dynamische Designsysteme entwickeln werden, die es ermöglichen, das Corporate Design schnell und effizient an verschiedene Kontexte und Nutzerbedürfnisse anzupassen. Dies bedeutet eine Abkehr von starren Design-Manuals hin zu flexibleren, anpassungsfähigen Richtlinien.
Außerdem werden Unternehmen verstärkt personalisierte Erlebnisse bieten müssen, die auf die Präferenzen und das Verhalten einzelner Nutzer zugeschnitten sind. Dies könnte eine stärkere Diversifizierung in der visuellen Kommunikation und im Corporate Design erfordern, um verschiedene Nutzergruppen gezielter anzusprechen.
Weitere Trends gehen in Richtung Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit – durch die Verwendung umweltfreundlicher Farben und Materialien in der visuellen Kommunikation – oder auch der Nutzung von KI im Designprozess, um Arbeitsabläufe zu optimieren und neue kreative Möglichkeiten zu eröffnen.
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